Adler Mannheim

the boys are back in town

Text: Jan Zeller
Foto: Elmar Witt & Daniel Wetzel

Fotoshootings sind so eine Sache. Mal stimmt die Chemie nicht, mal verschwimmt das Konzept, der Druck ist zu hoch oder das Timing insgesamt einfach unpassend. Vielleicht ist das so ähnlich auch auf dem Eis. Im besten Fall aber entwickelt sich – am Set wie auf dem Spielfeld – ein tragender Wert entlang geteilter Haltungen, Perspektiven und Blickrichtungen. Marc Michaelis und Lukas Kälble verkörpern die neue Identität der Adler Mannheim: reflektiert, nahbar, echt. Beide Eishockeynationalspieler, gebürtige Mannheimer, back in town. Der siebenfache Meister der PENNY DEL praktiziert den bewussten Wandel, sportlich wie inhaltlich. Michaelis und Kälble kamen genau deswegen zurück.

Foto: Elmar Witt & Daniel Wetzel
Foto: Elmar Witt & Daniel Wetzel

Das ehemalige Eisstadion am Friedrichspark: In der 1980er Jahren soll es Fernsehsender gegeben haben, die sich aufgrund seines schlechten baulichen Zustands weigerten, von dort Live-Übertragungen durchzuführen. Für Marc (29) und Lukas (27) ist es einer ihrer prägendsten Mannheimer Erinnerungsorte. Beide haben dort, in der gern mal eisig-zugigen Arena, als kleine Steppke mit dem Eishockey begonnen und in den Jahren danach ihre ersten sportlichen Erfolge eingefahren. Wir treffen uns zu dritt im Bauch der SAP Arena in einer der vielen Umkleidekabinen. Während mir die Temperatur im Raum durchaus sportlich erscheint, setzt sich Marc leger in Adiletten und kurzer Hose neben Lukas an den bereitgestellten Tisch. Eishockeyspieler halt, sage ich, und wir grinsen. Die beiden kommen gerade aus ihrer Trainingseinheit. Wir schauen kurz am Bildschirm auf die Fotoauswahl unseres gemeinsamen Shootings.

Nicht selten kommt es vor, dass Porträtierte sich im Anschluss von ihren Fotos distanzieren – etwa aus der Sorge heraus, man könnte eitel oder narzisstisch wirken. Vielleicht aber auch, weil ein Bild eben immer auch ein irreversibler Moment unseres Lebens ist und ein Spiegel unser Selbst. Es bedarf eines gewissen Maßes an Selbstwert und Entspanntheit im Leben, sich diesem Fragment offen und wohlwollend zu stellen. Sich seiner selbst bewusst(er) sein – vielleicht ist es das, was Lukas nach acht und Marc nach zehn Jahren wieder zurück in die Heimat führte. Die sportlichen Fähigkeiten und Erfolge des Verteidigers Lukas sowie des offensiven Flügelspielers und Zwei-Wege-Centers Marc sind unbestritten. Insbesondere aber, wer ihnen zuhört, ihre Ambition, Selbstreflexion und innerer Ruhe dabei wahrnimmt, bekommt schnell ein Gefühl dafür, warum dem Verein an der Verpflichtung der beiden so viel lag.

Da reihen sich zwei Menschen und Spielerpersönlichkeiten kongenial ein in einen Werte- und Generationenwechsel auf und neben dem Mannheimer Eis. Der Verein ist im Wandel, reformiert seine Identität, vom Club zum Standort – strukturell, personell, mental. Statt eines erfolgsverwöhnten „Höher, schneller, weiter“, das gerade in den späten 1990ern und frühen Nullerjahren einen regelrechten Eishockey-Hype in der ganzen Region entfachte, heißt es im aktuellen Adler-Trailer zur laufenden Saison: „Ein Schritt zurück, zwei nach vorne“. Erfolg hat viele Ebenen, Erfolg kennt auch Niederlagen. Und Erfolgsspiralen sind eben endlich. Vor allem aber verhindern sie Veränderung oder nötige Entscheidungen, wenn einzig nur die Messlatte weiter unaufhörlich steigt. Gerne spricht man im Sportjournalismus davon, dass „jemand gereift ist“. So als wäre er oder sie davor fast zwangsläufig unreifer gewesen. Wer es jedoch wie Lukas und Marc von frühesten Kindesbeinen an gewohnt war, den eigenen Tagesablauf aus Schule, Training, Hausaufgaben etc. Jahr für Jahr disziplinierter zu planen und mit Ligaspielen, Trainingscamps, Lehrgängen und anderem zu koordinieren, dem wohnt sicherlich per se schon eine grundsätzliche Reife inne; ein Talent, sich zu fokussieren. Der neigt eher nicht zum irrationalen Ausbruch. Sein Sport habe ihm immer Orientierung gegeben, eine „Grundordnung und Struktur“, wie Marc es nennt. „Ich denke immer an Eishockey, es ist manchmal schon fast beängstigend.“ Am College in den USA hätten sie deshalb auch die Regel der eishockeyfreien Themen aufgestellt. Wer sie beispielsweise abends beim Ausgehen in der Clique brach, bekam dann eine lieb gemeinte Watschen von den Kollegen. Mit 19 Jahren kam bei Marc der große Sprung nach Nordamerika: College, Studium, der Traum von der NHL, den er sich erfüllen konnte. Lukas zog es ebenfalls seinerzeit als U19-Jungadler über den Großen Teich. Die Beiden, die sich schon sich seit ihrer Jungadler-Zeit kennen, eint diese Erfahrung. So spielten sie also in den USA im Zuge der nationalen College-Meisterschaften erst gegeneinander, in der deutschen Nationalmannschaft dann wiederum miteinander.

Foto: Elmar Witt & Daniel Wetzel

Im aktuellen Kader der Saison 2024/25 finden sich viele wieder, die gut miteinander können und sich wertschätzen: Michaelis, Plachta, Fischbuch, Brückmann, Tiefensee, Kälble. Mit Tobias Fohrler beispielsweise, ebenfalls 2024 neu verpflichtet und wie schon Kälble und Michaelis bei den Jungadlern aktiv gewesen, verbindet Lukas eine lange und gute Freundschaft. Leon Gawanke und Neuzugang Kristian Reichel wiederum haben bereits in der AHL im gleichen Verein gespielt. Vieles fügt sich zusammen und es scheinen gerade auch diese zwischenmenschlichen wie sportlichen Synergieeffekte zu sein, auf die man im Verein in puncto eigener Zukunft langfristig baut. Teamgeist, Verantwortungsgefühl füreinander, Identifikation. Marc möchte explizit Verantwortung übernehmen. Für ihn und seinen Wechsel zu den Adlern sei es mit ausschlaggebend gewesen, dass er sich im Team, im Verein, mehr einbringen kann und darf mit seiner Erfahrung und Haltung. Dass an internen Strukturen im gemeinsamen Dialog gearbeitet werden kann und ein Interesse am Austausch von Meinungen, Perspektiven und Korrekturen besteht. Beide Sportler haben im Tonfall und ihrer Körpersprache eine angenehm ruhige Selbstsicherheit. Man kann sich im Übertrag gut vorstellen, wie da auch teamintern der eine vom Wesen des anderen profitieren mag. Lukas, dem, wie er sagt, das Abschalten abseits des Eises leichter fällt und der als Person etwas Kraftvolles und Grundoptimistisches ausstrahlt. Und Marc, dem seine Tiefe und mitunter leichte Melancholie zur Erdung von Gedanken und Emotionen dient, gleichzeitig aber auch den Dingen mit einem schnellen, augenzwinkernden Humor begegnet. Beide beschäftigen sich mit Themen rings um ihren Sport: Ernährung, der mentale Ausgleich, psychische Gesundheit. Wenn sie erzählen, sind sie direkt beim Thema. In all dem liegt eine sympathische Effizienz, frei von Floskeln oder Phrasen.

Marc lobt in dem Kontext, dass auch hier der Verein überdurchschnittlich viel in Bewegung setze. Gesprächsangebote, Expertise, sportpsychologische Betreuung – was in anderen Sportarten zur Normalität gehört, werde im Eishockey noch allzu oft negiert. Ihm nutze die psychotherapeutische Unterstützung: „Es ging mir dabei gar nicht so sehr um Probleme, die ich habe oder nicht habe, oder um Antworten. Aber ich möchte mir die richtigen Fragen stellen können.“ Auch das hat etwas von gelebter Vorbildfunktion. The men are back in town.

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